Dienstag, 27. Dezember 2016

Der Bandwurmsatz und das gebrochene Herz

 

Wenn man durch den Wald geht und den Hund ohne Leine laufen läßt, und

wenn man dort auf eine fremde Frau trifft, die erschreckt stehen bleibt und mit beiden Armen winkt, und

wenn man daraufhin ein bißchen genervt den Hund zurückruft und anleint, und

wenn man einfach an der fremden Frau vorbeigehen will, und

wenn man von der fremden Frau angespochen wird, die weitschweifig erklärt, daß sie zwar keine Angst vor Hunden hat, sich aber trotzdem irgendwie unwohl fühlt, und daß ja so viele Hundehalter keine Rücksicht auf andere nehmen, und

wenn man zwar höflich antwortet, daß der Wald sicherlich allen gehört, aber bei sich denkt, wie oft man schon diese leidige Diskussion geführt hat, und

wenn man jetzt aber wirklich weitergehen will, und

wenn die fremde Frau plötzlich leise sagt, daß sie früher hier immer mit ihrem Mann unterwegs war, aber ihr jetzt immer so komisch zumute ist, weil sie jetzt alleine unterwegs sein muß, und

wenn man auf einmal einfach so das Gefühl hat, daß das eigene Herz bricht vor Mitgefühl mit der fremden Frau, die den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten muß,

dann nimmt man sich vor, nicht nur auf sich selbst, sondern viel mehr auf andere zu achten.

Donnerstag, 22. Dezember 2016

Froh in die Weihnachtsfeiertage

WKSA 2016 Finale

 

Es ist mir tatsächlich gelungen, ein Weihnachtskleid zu nähen: ich kann es immer noch nicht richtig glauben. Ich will gar nicht wieder mit der mühevollen, steinigen, von Rückschlägen heimgesuchten, verzweiflungsgeschwängerten, haarsträubenden und mich um zehn Jahre älter machenden Geschichte anfangen. Schwamm drüber, das Kleid ist fertig!
Ich wollte eigentlich eine tolle Fotostory inszenieren, in der unser noch ungeschmückter Weihnachtsbaum eine zentrale Rolle spielt, aber zum einen hatte ich gerade wieder einmal keinen Fotografen zur Hand und zum anderen regnete es Bindfäden. Ich konnte schließlich nicht riskieren, daß mein wunderbares Kleid naß wird! Nicht nach all den Opfern, die ich gebracht habe, ich will schließlich nicht wieder davon anfangen, wie mühevoll etc... (siehe oben).
Innenaufnahmen waren gefragt. Bei Brandon Woelfel sieht das doch immer super aus mit den kleinen Lichtern, dachte ich mir.


Also mußte ich im Keller nach einer funktionstüchtigen Lichterkette kramen, was nicht einfach war, denn die defekte Glühbirne der Deckenbeleuchtung wartet seit drei Monaten darauf, ausgetauscht zu werden, Batterien suchen, Batterien in das blöde chinesische Lichterkettendings hinein friemeln, mir dabei einen Fingernagel abbrechen, feststellen, daß die Beleuchtung neonblau ist (Wieso kaufe ich so etwas?), die Kamera holen, eine Belichtungsreihe machen und unscharfe Fotos schießen, weil ich Volldepp wieder auf den Spiegel und nicht auf mich scharf gestellt habe. Perfekt!

Inzwischen sind meine Töchter aus der Schule gekommen und machen sich nach Kräften über mich lustig. Das hat man nun von seinem Geltungsbedürfnis! 

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Ich habe zum ersten Mal an einer solchen Zusammen-Was-Nähen-Sache teilgenommen, und ich muß sagen, daß es mir Spaß gemacht hat. Termine zu haben, die man einhalten muß, ist für mich motivierend. Ich möchte mich also ganz herzlich bei den beiden Organisatorinnen Yvonne und Dodo für ihre Arbeit bedanken, ebenso wie bei den netten Menschen, die meine Geschichten gelesen und kommentiert haben.


Ich wünsche Euch allen ein frohes und friedliches Weihnachtsfest!

Verlinkt mit: Me Made Mittwoch
Kleid: Else/ Schneidernmeistern
Stoff: Jolijou

P.S.: Das kommt übrigens dabei heraus, wenn ich mich selbst von hinten fotografieren will:

Sonntag, 18. Dezember 2016

Der Weg ist das Ziel

WKSA 2016

Ich hatte mir ja vor ein paar Wochen diesen absolut unschlagbaren Plan mit dem Pulloverkleid Karl zurechtgelegt, der mir ein Alltagskleid und einen weihnachtlichen Hingucker bescheren sollte. Frohgemut machte ich mich ans Werk, produzierte das Alltagskleid und stürzte in eine Sinnkrise. Das verdammte Ding wollte sich einfach nicht meinem schneiderischen Willen beugen. Auch nach dreimaligem Tragen konnte ich mich nicht mit dem Kleid anfreunden. Der Kragen war immer noch zu eng (kurz überlegte ich schon, ob ich eventuell Probleme mit der Schilddrüse haben könnte, weil ich immer Beklemmungen bekam), außerdem war es mir auch zu lang. Im Nachhinein fiel mir auf, daß ich Ende der Achtziger/ Anfang der Neunziger einen Rock in genau dieser Länge gehabt hatte, der mir auch auf die Nerven gegangen war. Also war die Wahl von Karl als Schnittmuster totaler Unfug gewesen.
Missmutig drehte ich meiner Nähmaschine den Rücken zu. Dann eben nicht, dachte ich mir. Aber, wie das Leben eben so spielt, kam doch alles anders. In unserer Stadtbücherei fiel mir zufällig das Buch Liebe auf den ersten Stich von Tilly Walnes in die Hände. Das war alles so hübsch darin, und die Autorin erzählte so nett übers Nähen. Ich suchte mir das Kleid Megan als nächstes Projekt aus, das erschien mir machbar. Also nichts wie in den Stoffladen! Während ich dort nach einem passenden Stoff herumsuchte, entdeckte ich einen Stoff, der dazu nicht passte, aber eine tolle Else werden könnte. Eine freundliche Baumwolle für Megan fand ich auch. Ich war wieder im Spiel!


Für Karl hatte ich außerdem zu viel French Terry gekauft. Ich nahm Maß, und siehe da: das reichte für einen Rock, ebenfalls aus dem Buch. Das ist ein Zeichen, schoss es mir durch den Kopf. Ich hatte so viele Pläne wie noch nie fürs Nähen. Aber leider kamen mir in den Weg: der Kieferorthopäde von Tochter 2, die Volleyballmannschaft von Kind 1, ein Skiwochenende, ein Geige- mit- Klavier- Vorspiel, ein vollkommen wahnsinniger Architekt mit absurden Terminvorstellungen, Straßen NRW und die ständigen Autobahnsperrungen und... und... Weihnachten, Weihnachten, Weihnachten!


Aber diese Woche hatte ich endlich Zeit. Ich bekam den Rock fertig! Ich kann jetzt sogar nahtverdeckte Reissverschlüsse! Ich habe einen richtigen Bund genäht, mit Bügeleinlage! Ich bin so stolz auf mein Röckchen, daß ich es zu unserer Weihnachtsfeier angezogen habe.


Aber die echte Sensation kommt jetzt: die Else von  siehe oben aus dem tollen Jolijou- Stoff ist auch beinahe fertig. Ich muß noch ein wenig herumbügeln, die Säume säumen und dann noch einmal bügeln, aber das ist Kindergeburtstag. Ich werde ein echtes, fertiges Weihnachtskleid haben! Damit habe ich nun wirklich nicht mehr gerechnet, und ich freue mich wie ein Schnitzel.



Megan wird es wohl nicht mehr schaffen, ich bin schließlich kein Näh- Titan. Egal, so intensiv habe ich mich noch nie mit dem Nähen beschäftigt. Das liegt wirklich am WKSA, vielen Dank dafür!


Verlinkt mit: Me Made Mittwoch

Dienstag, 13. Dezember 2016

Die schönsten Pausen sind nicht lila, sondern weiss


Ich habe mir mit meinem Mann eine Pause vom Vorweihnachtswahnsinn gegönnt. Wir sind für ein verlängertes Wochenende ins Pitztal nach Jerzens gefahren, um im wohlverdienten Sonnenschein ein bißchen Ski zu fahren und uns im Hotel verwöhnen zu lassen. Es hat sich wirklich gelohnt!

Das Skigebiet von Jerzens heißt Hochzeiger. Es ist nicht besonders groß, aber für zwei bis drei Tage ist es vollkommen ausreichend. Da ich seit etwa dreißig Jahren Ski fahre, kenne ich mittlerweile sehr viele große und kleine Skigebiete. Die großen Anlagen wie Ischgl oder Sölden sind natürlich toll, aber meistens wegen ihres Bekanntheitsgrades auch sehr überfüllt. Außerdem hat man doch mitunter arg mit spätestens ab halb elf alkoholisierten Gruppen zu tun. Das ist nicht nur nervig, wenn man eine kleine Pause machen will; manchmal finde ich es auch gefährlich auf der Piste. Hier hielt sich das in der Vorsaison in überschaubaren Grenzen.
Der Schnee, auf dem wir gefahren sind, was perfekt aufbereiteter Kunstschnee. Früher hieß das: entweder Grieselmatsch oder Eisplatten; heute bedeutet es, daß man überall hervorragend Ski laufen kann. Anfang Dezember kann man außer auf einem Gletscher eben keine Wunder erwarten.

Jerzens ist die Heimat des österreichischen Superstars Benjamin Raich und seiner Frau Marlies, die unter ihrem Mädchennamen Schild beinahe genauso erfolgreich war. 

Mittlerweile haben beide ihre Karriere beendet. Jetzt nutzen sie ihre Popularität, um ihren Heimatort bekannter zu machen. In der Mittelstation der Gondelbahn gibt es eine kleine Ausstellung über die beiden. Hier kann man seine Reaktionsfähigkeit testen, ein bißchen Trainingsfeeling bekommen und echte olympische Medaillien anstaunen. (Die Dinger sind übrigens überraschend groß, außerdem sehen sie schwer aus.) Außerdem gibt es Trainingsmöglichkeiten für junge Skitalente hier, man kann den zukünftigen Stars beim Slalom und Riesenslalom zusehen und sich dabei für seine eigenen Skikünste in Grund und Boden schämen.
Das hier ist die Panorama- Abfahrt. Man sieht über das Inntal bis nach Innsbruck, wenn das Wetter gut ist. Ich weiß natürlich, daß Skifahren wegen der Umweltverträglichkeit in der Kritik steht. Seit vielen Jahren wird versucht, die Folgen des Massentourismus in den Alpen einzudämmen, doch natürlich zahlt die österreichische Bergwelt ihren Preis dafür, daß sie der Wirtschaftsfaktor Nummer eins des Landes ist. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Wenn man allerdings nicht nur den Berg rauf und runter saust, lediglich unterbrochen von Ess- und Trinkpausen, sondern öfter stehen bleibt, um den Ausblick zu geniessen, dann empfindet man irgendwann Dankbarkeit. Das Skifahren ermöglicht es mir, mich in dieser großartigen Landschaft aufzuhalten, die ich sonst im Winter niemals erreichen könnte. Die Schönheit der Berge ergreift mein Herz und meine Seele immer wieder aufs Neue.



A propos Mal-was-anderes-machen: Auf dem Sechszeiger gibt es ein kleines Rondell aus Metall und Glas, in dem zwei große Holzliegen stehen. Hier genießt man windgeschützt einen wunderbaren Rundblick. Sollte ich noch einmal hierher kommen, nehme ich einen Rucksack mit heißem Tee und meinen Zeichensachen mit, um in Ruhe ein paar schöne Skizzen zu machen. 


Was mir auch Spaß machen würde: man kann abends ein paar Stunden mit einer Pistenraupe mitfahren, während der Schnee planiert wird. Das hat eine ganz spezielle Atmosphäre!
Rund um die Talstaion des Hochzeigergebietes gibt es natürlich ausreichend Après- Ski- Gelegenheiten, Hotels und Restaurants, die die Hütten entlang der Pisten für diejenigen ergänzen, die erst nach dem Skifahren in Feierlaune sind. 


Noch ein Tipp: Wir kommen ja aus dem Rheinland, und da gehört es zu einer der nervigsten Angelegenheiten schlechthin, sich im Sportgeschäft die Ski aufbereiten zu lassen. Man schleppt die Dinger durch die Stadt, hört sich im Laden das Gejammer an, wieviel der Skimensch zu tun habe vor Weihnachten, wartet zwei Wochen und schleppt die Latten wieder zurück nach Hause. Hier in Österreich gibt man die Ski im Sportladen neben der Talstation ab, waretet zwanzig Minuten und bekommt dann pünktlich seine perfekt gemachten Ski mit messerscharfen Kanten zurück. Als ich das hier gemacht habe, kam ich mir auf der Piste vor wie Maria Riesch, so gut liefen meine Ski!

Außerdem sind die Accessoires hier einfach nicht zu toppen. 







Montag, 5. Dezember 2016

Wie ich auf den Hund kam

 

Als Kind wollte ich immer einen Hund haben. Generell waren sowohl mein Vater als auch meine Mutter dagegen. Es gab eine ganz, ganz kurze Phase, als ein Freund meines Vaters wahnsinnig viel Geld für einen reinrassigen Boxer vom Züchter bezahlte und damit Hunde in den Augen meiner Eltern zu einem Statussymbol machte. Da sie sich aber nicht einigen konnten, ob ein Boxer oder ein Dalmatiner stylisher sein würde, wurde zu meiner großen Enttäuschung nichts daraus.


Danach folgten  zwei Hamster namens Peppino I und Peppino II, ein Wellensittich, meine Pferdezeit (ohne eigenes Pferd), eine zugelaufene Katze, die Scheidung meiner Eltern, drei Hunde der zweiten Frau meines Vaters, eine weitere Katze- diesmal vom Bauernhof, neben dem meine Großeltern wohnten -, mein Auszug, das erste Zusammenleben mit meinem Freund (heute Mann), und der Umzug in eine größere Wohung einschließlich Übernahme einer Katze, die nicht mit der Vormieterin nach Frankreich auswandern wollte und deshalb bei uns blieb. Sie war das erste Haustier, das meine Kinder kennen lernten. Als diese Katze wegen der Spätfolgen eines Autounfalls eingeschläfert werden musste, war es irgendwie kalt in der Wohnung. Wir wollten wieder ein Haustier.
Meine jüngere Tochter war damals im Kindergarten dauernd unglücklich. Sie war permanent krank und fand aufgrund einer unfassbar dämlichen Gruppenzusammenstellung keine Freunde dort. Man konnte praktisch zusehen, wie ihr Selbstbewußtsein schwand. Das gab den Ausschlag: ein Hund sollte es sein, der würde ihr helfen! 
Tja, und dann wurde es skurril! Wir lasen Bücher, Zeitschriften und Internetforen, um uns genauestens zu informieren, welcher Hund zu uns passen würde. Auf jeden Fall ein Welpe vom Züchter, hieß es da, kein Tier von jemandem, der nicht in mindestens drei Zuchtverbänden sei. Oder aus dem Tierheim, da säßen wunderbare Hunde ein, die nur darauf warteten, uns glücklich zu machen. Da wir ja alle ein wenig weichherzig sind, versuchten wir es zunächst mit dem Tierheim.
Die meisten der Hunde, die tatsächlich zu vermitteln waren, konnten nicht mit Kindern. Kleine Kinder seien laut, unbeherrscht, zögen die Hunde am Schwanz oder trampelten ihnen ohne Pause auf die Pfoten. Da sei es kein Wunder, wenn die gestressten Tiere auch mal zuschnappen würden; und dann müßten sie zurück in Heim, obwohl sie eigentlich ein echter, aber eben unverstandener Schatz seien! Man konnte manchmal den Eindruck gewinnen, am besten gäben wir die Kinder ab, um uns mit so einem armen Hund beschäftigen zu können. Alternativ könnten wir ja einen netten, gerade frisch gefangenen Rüden aus Griechenland oder der Türkei haben, den man extra für uns einfliegen würde. Wir lehnten dankend ab.
Nun gut, dann eben ein Züchterhund, dachten wir uns. Damit traten wir ein in eine Welt voller abstruser Genetikregeln (ich sage nur " garantiert HD- frei": für alle, die sich damit auskennen!), ellenlanger Wartelisten, merkwürdiger Preispolitik (wieso ist ein schokobrauner Labrador aus dem gleichen Wurf 200 € teurer als sein schwarzes Geschwister?) und einer erstaunlichen Übergriffigkeit seitens der Hundezüchter. Wir wurden taxiert, ausgehorcht und bewertet in einer Weise, für die sich ein Personalchef ruckizucki vor Gericht wiederfinden würde. Einem Herrn, der einen Wurf Tibetterrier abzugeben hatte, sollte ich telefonisch doch tatsächlich, nachdem er erst unsere Bonität bezweifelt hatte, meine Erziehungsphilosophie im Bezug auf meine Kinder erläutern. 
Währenddessen nahmen meine Töchter die Sache selbst in die Hand. Sie entdeckten Internetportale, in denen massenweise Hunde angeboten wurden und fanden auf eigene Faust ihren Traumhund. Da gab es ein Foto von einem schwarzen Mischlingswelpen mit einem blauen Halstuch, darunter stand: "Meine Geschwister sind alle vermittelt, und ich habe mein Köfferchen auch schon gepackt!" Das war's, dieser Hund oder keiner! Natürlich sollte man keinen Welpen unbekannten Ursprungs aus dem Internet kaufen, selbstverständlich widerspricht das allen Regeln des Tierschutzes, und überhaupt... Am nächsten Sonntag fuhr ich mit meiner kleinen Tochter an den Niederrhein, um uns das süße Hundekind nur mal kurz anzusehen. 


Der kleine Hund - ich nenne ihn jetzt der Einfachheit halber direkt Rosi- war gesund, geimpft und hatte ein einwandfreies Sozialverhalten. Ihre Familie bestand neben zwei weiteren Hunden, unzähligen Katzen und zwei Ponies aus den zur Zeit arbeitslosen Eltern und drei Kindern. Eigentlich hatten sie Rosi behalten wollen, doch sie konnten sich noch einen Fresser einfach nicht leisten. Der Mann fragte mich sogar  nach einem Job. Ich wollte Rosi erst eine Woche später abholen, aber das ging nicht, weil der Verkauf vor den Kindern geheimgehalten werden mußte. Also packte ich den kleinen Hund mit ein bißchen Hundefutter (das kein Welpenfutter war, wie sich herausstellte) und einer geliehenen Leine in den Fußraum meines Autos. Wir waren kaum auf der Autobahn, da übergab sie sich das erste Mal. Ich konnte meiner Tochter ansehen, daß sie das Projekt "Hund" noch einmal gründlich überdachte.
Der Name Rosi stammte von den Vorbesitzern, wir fanden ihn so bescheuert, daß wir ihn behielten. Da ich von den Hunden meines Vaters bis dahin nur unmanierliches Verhalten in jeder Form kannte, besuchte ich mit unserem Welpen die Hundeschule. Das war auch gut so, denn Rosi war so niedlich, daß sie allen auf der Nase herumtanzte. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis wir uns auf einen für beide befriedigenden Umgang einigen konnten. 

Rosi reißt niemanden um, sie hört auf die meisten Kommandos, fängt keinen Streit mit anderen Hunden an und sie kann ohne Leine laufen, ohne den Wildbestand der Umgebung zu gefährden. Sie döst den halben Tag in ihrer Hundekiste und frißt schneller als ich atmen kann. Seit 8 1/2 Jahren gehe ich mindestens zwei Mal am Tag mit ihr spazieren, und zwar bei jedem Wetter. Sie stürzt sich mit Enthusiasmus in alle erdenklichen Gewässer. Schneeflocken machen sie glücklich. Sie jagt wie eine Besessene Bällen hinterher. Im Frühjahr steckt sie den Kopf in Büsche und Grasbüschel, bis sie sich eine Bindhautentzündung und Zecken an der Nase holt. Sie hält Leberwurst für die Sache, die uns Menschen zu Göttern macht.

Als Welpe hat sie vor Aufregung einen Haufen in die Sportabteilung vom Kaufhof gemacht. In Wyk auf Föhr mußte sie sich bei einem laufenden Kurkonzert übergeben, weil sie zu viel Salzwasser geschluckt hatte. Im Bayrischen Wald büxte sie in einem unbeobachteten Moment aus und rannte hinter den Kindern her über die Skipiste. Sie hat sich hinter einem unbedacht geworfenen Schneeball eine drei Meter hohe Schneewehe hinunter gestürzt, aus der wir sie herausbuddeln mußten. Im Wendland galoppierte sie einen Turm mit Wendeltreppe hinauf, dabei wurde ihr so schwindelig in ihrem pelzigen Hundekopf, daß sie beinahe nicht mehr heruntergekommen wäre. In der Ostseee schwamm sie wegen des Wellengangs einem falschen Mann hinterher; als ich sie am Ende des Strandabschnittes wiederfand, war sie so erleichtert, daß sie praktisch sofort in Tiefschlaf verfiel. Bei einer Firmenfeier spielte sie begeistert mit Fußball und sprang dabei sie auf den Anhänger eines LKWs, von dem sie sich alleine nicht mehr herunter traute. Im Zoo in Gelsenkirchen schnüffelte sie einem Bronzebären am Hintern, weil sie nicht begreifen konnte, daß er nicht echt war.

Sie freundlich und geduldig. Wenn sie sehr tief schläft, träumt sie mit zuckenden Pfoten und quietscht dabei. Morgens macht sie gründliche Dehnübungen, bevor sie mit mir kommt. Sie sieht nicht mehr so gut wie früher, mittlerweile machen ihr Mülltonnen im Dunkeln Angst. Wenn sie im Sommer zu lange in der Sonne liegt, ist sie richtig duselig im Kopf, dann taumelt sie in unsere Wohnung und kühlt ihren Bauch auf den Bodenfliesen. Sie mag Menschen, Eichhörnchen kann sie nicht leiden. Sie liebt es, hinter den Ohren gekrault zu werden. Wenn sie naß ist, sieht sie aus wie eine amerikanischer Seelöwe. Sie frißt alle Krümel unter unserem Küchentisch auf, das fällt uns besonders auf, wenn sie nicht bei uns ist. Dann müssen wir viel mehr fegen. Sie kann sich nicht lange konzentrieren, immer gibt es etwas, das noch spannender ist als das, was sie gerade erst entdeckt hat. Aufdringliche junge Rüden knurrt sie seit ein paar Jahren an: sie ist eine reife Dame und muß sich dieses rüpelhafte Verhalten nicht mehr gefallen lassen. Ihre Haare an der Schnauze sind so grau wie die Schläfen von George Clooney.

Meine Kinder können ihren Kummer in ihr Fell weinen; sie ist auch ihre Verbündete, wenn Mama mal wieder ungerecht zu ihnen ist.

Mein Mann kann mit ihr länger Ball spielen als mit einem Jungen, den er sich vielleicht ab und zu wünscht. 

Mein Schwiegervater verknüpft mittlerweile seine Lebenszeit mit ihrer.

Ohne sie würde ich manchmal nicht aufstehen wollen.

Das alles schreibe ich, weil heute ihr 9. Geburtstag ist:

Herzlichen Glückwunsch, Rosi!





Sonntag, 20. November 2016

Try and Error

WKSA 2016

Der erste Schritt ist getan: der Alltagskarl ist fertig. 


Das war keine leichte Geburt, wie meine Omma so schön sagt. Ihr erinnert euch vielleicht, daß ich mich auf den Weg ins Stoffgeschäft machen wollte. Mein Mann, der sich normalerweise aus meinen Hobbies heraushält, erklärte sich mit leuchtenden Augen bereit, mich zu begleiten. Warum er das tat? Ist mir bis heute ein Rätsel! Jedenfalls kam er mit, redete mir den dunkelgrauen Sweat aus, in dem ich vielleicht wirklich etwas Fräulein- Rottenmeieresk gewirkt hätte, verhinderte den Kauf eines schokoladenbraunen Stoffes ("Willst du aussehen wie Bruder William in der Name der Rose?") und entdeckte einen grauen French Terry, den ich dann auch kaufte. So weit, so gut.
Was ich nicht auf dem Schirm hatte: der French Terry fühlt sich zwar toll an, fällt schön und ist super zu verarbeiten, aber leider nicht sehr dehnbar. Als ich mit dem Zuschneiden anfing, stolperte ich in der Anleitung zu Karl über einen kleinen Passus, in dem etwas von 60 % Dehnung stand. Hmm, dachte ich, könnte knapp werden! Da ich aber Optimist bin und außerdem aufgrund meiner Erfahrung mit Statikern immer von Sicherheitszuschlägen astronomischen Ausmaßes ausgehe, schnitt ich meinen Stoff zu und begann zu nähen.

Es kam, wie es kommen musste: Der Rollkragen war zu eng und außerdem zu lang. Ich bekam den Kopf nicht durch das vermaledeite Ding. Wutentbrannt schnitt ich ca. 5 cm ab, würgte mich wieder durch den Schlauch und riß mir beinahe die Ohren ab. Nachdem ich mich unter Fluchen- wie- ein- Piratenpapagei wieder befreit hatte, schmiss ich den doofen Karl auf die Küchenbank und ging mit dem Hund spazieren, denn unser Hund weiß die Antwort auf alle Fragen. Als ich zurückkam, war mein Kampfgeist wieder erwacht. Ich reparierte den Kragen und vollendete mein Werk.

Alles in allem finde ich den Schnitt ganz gut. Der Kragen wäre auch mit einem elastischeren Stoff für mich zu eng, da ich offensichtlich einen ziemlichen dicken Kopf und einen Hals wie der amtierende schottische Meister im Baumstammwerfen habe. Ich habe zwei Taschen gemacht, das sieht auch gut aus. In der Länge kann man, wenn die Taschen schon auf dem Kleid sind (was man laut Anleitung zuerst machen soll) nicht mehr viel variieren, denn dann vermasselt man die Proportionen des Schnitts, da die Tasche(n) ziemlich tief sitzen. Also geht das Karlchen bei mir bis etwas unterhalb der Wade. Der Schnitt ist für eine durchschnittliche Körpergröße von 1,72 m geplant, ich bin 5 cm kleiner. Meiner Ansicht nach sieht man das.

Was die Weihnachtstauglichkeit angeht: bequem ist das Kleid auf jeden Fall. Ob ich damit Rad fahren kann, kann ich heute nicht testen, denn hier ist es so windig, daß ich auch in einer Sporthose vom Fahrrad geweht werden würde. Ich finde es eigentlich auch schön, meinem Mann gefällt's auch (muß er ja sagen, er hat den Stoff ausgesucht). Ich müßte auf jeden Fall den Kragen weiter und kürzer machen, eventuell kürze ich das Karlchen auch. Seiteneingrifftaschen wären dann ein Alternative. Bei der Farbe bin ich noch unentschlossen.
Ich hatte ja mal über einen Stoff wie die Tapete in der Baker Street 221 B nachgedacht (bei buttinette gibt es so etwas Ähnliches sogar), aber ich glaube, damit wirke ich noch exzentrischer als ich das ohnehin schon tue. Das beswingte Fräulein macht mir schon seit einiger Zeit den Hals mit den schönsten Kleidungsstücken in Lila lang... oder ich bleibe bei Schwarz?
 (Die Fotos von mir hat meine jüngere Tochter heute morgen gemacht, da mein Mann gerade 1,5 kg Äpfel für einen Kuchen in feine Scheiben schneidet und verständlicherweise nicht ansprechbar ist.)

Verlinkt mit: Me Made Mittwoch


Sonntag, 13. November 2016

Gib Weihnachten eine Chance

oder auch: WKSA 2016




Dieses Jahr sind wir zum ersten Mal seit langer Zeit Weihnachten wieder zu Hause. Ein paar Jahre lang haben wir uns- und das mit voller Absicht- dem familiären Festagswahn entzogen, indem wir in die Schweiz oder nach Österrreich in den Skiferien verabschiedet haben. Ich mag Weihnachten eigentlich, aber was daraus entstanden ist seit wir Kinder haben, das kann ich gar nicht leiden. Jetzt liegt Heiligabend dieses Mal aber wirklich ungünstig, unsere übliche Hundebetreuung klappt nicht und meine jüngere Tochter lehnt es im Rahmen der Pubertät vehement ab, sich noch ein einziges Mal auf Skier zu stellen. Also gut, dachte ich mir: Gib Weihnachten eine neue Chance! 
Ich finde es schön, für diesen Anlass etwas Besonderes zu tragen. Allerdings sollte es zum Herumlümmeln geeignet sein, denn erstens isst man grundsätzlich unglaubliche Mengen, zweitens sitzt man ziemlich viel herum und drittens haut man sich, wenn die Gäste weg sind, aufs Sofa und guckt "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Ausserdem ist die Vorweihnachtszeit auch die Zeit der Musikschulvorspiele und diverser Weihnachtsfeiern- wer einmal mit zu engem Rockbund zwei Stunden Kindern verschiedenen Talents am Klavier zugehört hat, weiß was wahre Folter ist. Außerdem muß die Keidung fahrradtauglich sein, denn ich gehöre nicht zu den Wagemutigen, die in der Vorweihnachtszeit nach ein paar Gläsern Rotwein mit dem Auto fahren und hoffen, daß die Polizei nicht weiß, daß überall Firmenweihnachtsfeiern sind.

An dieser Stelle kommt das Schnittmuster Karl von schneidernmeistern ins Spiel. Ich habe es zufällig entdeckt, und ich finde, es könnte das gewisse Etwas haben. Es wirkt ein bißchen edgy und es sieht bequem aus. Ob ich damit Rad fahren kann, wird sich herausstellen. Außerdem scheint es möglich zu sein, in dem Kleid nicht zu frieren (unsere Kirche hier ist die reinste Eishölle). Ein weiterer, für mich nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Tatsache, daß es einfach herzustellen ist. Ich bin nicht sehr geduldig, um es mal vorsichtig auszudrücken. Ich nähe zwar ab und zu gerne etwas für mich, das darf aber nicht zu aufwändig sein, sonst macht es mir keinen Spaß mehr.
Um zu testen, ob das Kleid tatsächlich auch festtauglich ist, habe ich mir einen Plan zurechtgelegt. Ich werde das Kleid einmal in einem Stoff nähen, den man im Alltag tragen kann. Ich dachte an einen dunkelgrauen Sweat oder so etwas. Wenn das alles so aussieht, wie ich mir das vorstelle (und ich damit auch nicht vom Rad kippe), kann es weitergehen. Der hohe Kragen könnte zum Problem werden, denn wenn der am Hals Engegefühl verursacht, hat es sich ausgekarlt. Mir schweben ebenfalls zwei Taschen statt einer vor, weil ich ja auch zwei Hände habe. Wenn die eine eine Tasche zum verstecken hat, wird die andere Hand neidisch und will auch eine. Außerdem möchte ich wissen, ob das Kleid wirklich edgy aussieht oder ob es eine Art jogginghosenartiger Schlauch ist. Ich stelle mir mich in dem ersten Kleid so wie auf der Zeichnung links vor, cool eben!
Sollte das alles so über die Bühne gehen, wie ich mir das hier so schön ausmale, suche ich mir eine richtig tollen, teuren Stoff aus und haue dann einen Festkarl raus. Ich dachte an Elektrischblau oder -lila, irgendwas sehr Schwarzes, weihnachtliches Dunkelrot oder Dunkelgrün könnte auch sein. Wenn mich richtig der Hafer sticht, käme sogar Silberglitzer in Betracht.
Der Rest ist dann nur noch eine Frage der Accessoires. Den Schnitt habe ich bereits gekauft und ich habe ihn ausplotten lassen, weil ich diese Kleberei von Einzelblättern verabscheue. Gleich mache ich mich auf zum Stoffladen, um den Sweat für das Testkleid zu besorgen. Wünscht mir Glück und Durchhaltevermögen (das wünsche ich euch auch)!

Verlinkt mit: Me Made Mittwoch


Freitag, 11. November 2016

All my friends are glorious,

tonight we are victorius

Vor ein paar Monaten kam mein ältestes Töchterchen ganz aufgeregt in die Küche gestürmt: "Ich habe auf Tumblr gelesen, daß Panic at the Disco nach Köln kommen! Mamma!" Panik in einer Disco? Und das grosse E. will dahin? Mein kleiner Büchernerd? 
Also wurde Überzeugungsarbeit geleistet. Jedes Mal, wenn ich sie zum Volleyball fuhr, wurde ich mit "Death of a Bachelor" beschallt. (Glaubt mir, wenn man die CD nicht kennt und nicht die Kontrolle über den Laustärkeregler des Autoradios hat, erschickt man am Anfang von "Victorious" so heftig, daß man beinahe in den Zaun des Nachbarn fährt.) Aber nach ein paar Mal Hören gefiel mir die Musik, vor allem "Crazy equs Genius" fand ich super. Ich mußte allerdings googlen, daß ein arsonist ein Brandstifter ist und nicht das, was ich mir in meinem verdorbenen Hirn so gedacht hatte. Also bestellte ich Karten für das Kölner Konzert.
Gestern war dann der große Tag. Wir fuhren zum Palladium, fanden einen Parkplatz (sic!) und mischten uns unters Partyvolk. Ich war nicht die einzige ältere Dame unter vielen Teenies, wie ich zunächst geargwöhnt hatte. Da waren eine Amerikanerin meines Alters mit ihren drei Töchtern, die alle vier entschlossene Fans waren, oder eine Mutter mit ihrer Tochter, die offentsichtlich den Auftrag hatte, so viel wie möglich vom Konzert mit dem Handy zu filmen. Die Frau muss vorher ihren kompletten Speicher gelöscht haben; so weit kann die Liebe einer Mama gehen!
Die Vorband mühte sich redlich, wie Vorbands das so tun; anschliessend gab es eine ziemlich lange Umbaupause. Aber als Panic at the Disco anfingen, ging praktisch ab der ersten Sekunde die Post ab. Es war laut, es war frenetisch, es war toll! Die Fans der Band kannten jeden Liedtext, und sie schmetterten mit als ob ihr Leben davon abhinge. Es wurde wie wild getanzt! Wenn Brendon Urie, der übrigens eine beeindruckend klare und laute Stimme hat, einen seiner hohen Schreie von sich gab, fielen alle beinahe in Ohnmacht. Für mich war ein echtes Highlight das Cover von "Bohemian Rhapsody", das für den Film Suicide Squat entstanden ist, "Golden Days" und "This is Gospel", das ich vorher noch nicht kannte. Aber der absolute Kracher kam zum Schluss: Der letzte Song war "Glorious" und als der Refrain zum letzte Mal gespielt wurde, krachten rechts und links der Bühne zwei Konfettikanonen mit Goldglitzerkram. Das muß man erst mal in einem doch recht kleinen Saal wie dem Palladium raushauen.
Mein vollkommen euphorisches Kind kaufte noch ein Bandshirt, liess sich von mir nach Hause fahren und bekam nachts die Augen nicht zu. Sie trägt heute Augenringe wie ein Waschbär zum Panic at the Disco- Shirt. Aber egal! Wie sagte schon der grosse R.W. Fassbinder:"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin."
Es war ein richtig cooler Abend mit meiner Fünfzehnjährigen; zum nächsten Konzert wird sie wohl ohne mich fahren. Dann muss ich eben alleine kreischen!


Freitag, 4. November 2016

Was sich in naher Zukunft ändern wird

Ich erlebe gerade nicht zum ersten Mal in meinem Erwachsenendasein, daß sich meine Lebensumstände grundlegend verändern. Wenn man jung ist, zur Schule geht, eine Ausbildung macht, studiert, irgendeinen Abschluss erwirbt, sich das erste, zweite, dritte Mal verliebt, sind Veränderungen an der Tagesordnung. Trotzdem scheint alles wahnsinnig langsam voranzugehen. Doch irgendwann ändert sich das. Man ergreift einen Beruf, den man längerfristig ausüben wird - bei mir war es Architektin; man bindet sich fest an jemanden mit dem Ziel, diese Beziehung zu bewahren- ich habe geheiratet. Dann kamen die beiden Kinder, ich gab meinen eigentlichen Beruf auf und arbeitete halbtags. Mein Mann gründete seine Firma, ich unterstützte ihn dabei. Ich wurde zu einer Mutter mit kleinen Töchtern. der Tagesablauf war von Arbeit, Kindergarten, Grundschule, Sport- und Musikunterricht für die Mädels und Hausarbeit bestimmt. Wir fuhren an die Nordsee in den Urlaub, weil das einfach und auch schön für uns als Familie war. Wir kauften uns einen Hund. Ich zeichnete und fotografierte nur noch so für mich, für Ausstellungen blieb keine Zeit mehr. Das hört sich jetzt irgendwie traurig an, doch so war es für mich nicht. Mir und den Meinen ging es gut so.
Seit Anfang dieses Jahres bemerke ich eine Veränderung. Meine Töchter sind 15 und 13 Jahre alt, die ältere besucht jetzt die Oberstufe. Sie sind keine Kinder mehr, das wird mir immer klarer. Natürlich freut es mich für sie, daß sie ihre Persönlichkeiten voll entfalten; gleichzeitig macht es mich ein bißchen wehmütig. Im Mai am Muttertag habe ich mir gewünscht, für einen Tag nach Greetsiel zu fahren, dem Inbegriff der Harmlosigkeit. Da habe ich von dem Kinderzeitabschnitt für mich Abschied genommen. Das habe ich natürlich keinem gesagt, meine Familie hält mich bei sentimentalen Aufwallungen gerne für peinlich. Doch ich hatte das Gefühl, genau das zu brauchen. An einem Souvenirstand habe ich mir so ein regenbogenbuntes Freundschatfsarmbändchen gekauft, das trage ich seitdem jeden Tag. 
Ich merke allerdings auch, daß ich mehr Freiraum habe für das, was ich mag. Fotografie, Zeichnen, Konzerte besuchen, ins Kino gehen und- mehr Zeit mit meinem Mann verbringen. Man verliert sich immer so ein bißchen über die Zeit, das bleibt nicht aus, denke ich. In diesem Sommer waren wir zum Beispiel ein paar Mal mit dem Motorrad unterwegs. Ich bin seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gefahren, das war schon komisch nach der langen Zeit. 
Kurzum: es beginnt also ein neuer Lebensabschnitt für mich.